Studienschwerpunkt Slavische Sprachwissenschaft
Worum geht's im Studium?
Slavische Grammatik
In den slavischen Sprachen übernimmt die Morphologie im Vergleich zur Syntax viel mehr Aufgaben als etwa im Englischen. Deshalb sind verbale und nominale Flexionsmorphologie sowie Wortbildung ein Thema vieler Lehrveranstaltungen. Aber auch die slavische Syntax, die oft einfacher mit Modellen beschrieben werden kann, die es erlauben, die Wortstellung – welche in den slavischen Sprachen vor allem die Informationsstruktur ausdrückt – bei der Bestimmung syntaktischer Beziehungen zu vernachlässigen, ist ein wichtiges Thema. Außerdem sind auch die Beziehungen zwischen der Formseite der Sprache und der Semantik und Pragmatik von Bedeutung. All das wird in Seminaren bisweilen einzelsprachlich betrachtet, sehr oft aber in innerslavisch-vergleichender und/oder typologischer Perspektive.
Phonetik, Phonologie und Graphematik
Die »slavische Charakter« der meisten slavischen Sprachen äußert sich besonders auf den Ebenen der kleinsten Einheiten (Laute, Phoneme, Buchstaben, Grapheme), z.B. durch einen besonderen Stellenwert von Zischlauten und Konsonanten-Clustern (russ. vzgljad [ˈvzɡlʲat] ‘Blick’, poln. wszczęcie [ˈfʃʧɛɲʨɛ] ‘Beginn’) oder durch schriftliche Ausdrucksmittel slavischen Ursprungs (kyrillische Schrift, Háček usw.).
Soziolinguistik
Die slavischen Sprachen zeichnen sich durch diverse typologisch interessante sprachspezifische Besonderheiten aus (z.B. das Gegenüber einer ›gehobenen Umgangssprache‹ und einer ›niederen Umgangssprache‹ im Russischen, den relativ hohen Stellenwert der Dialekte im Polnischen, das Nebeneinander verschiedener nationaler Varietäten im Serbokroatischen oder die Diglossie zwischen ›Schrifttschechisch‹ und ›Gemeintschechisch‹), mit denen wir uns immer wieder in Lehrveranstaltungen beschäftigen. Sehr relevant ist auch der inner- und außerslavische Sprachkontakt.
Sprachgeschichte
Die Untersuchung der Geschichte der Sprachen hat eine lange Tradition in der Slavistik. Dabei sind zwei Aspekte zu unterscheiden: zum einen die historische Grammatik, die Lautwandel und grammatischen Wandel zu erklären versucht; zum anderen die Geschichte der slavischen Schriftsprachen, bei der es darum geht, wie es gekommen ist, dass bestimmte Sprachformen zur sprachlichen Norm für eine ganze Nation erhoben wurden.
Was macht die Slavische Sprachwissenschaft in Köln?
Die Slavische Sprachwissenschaft an der Universität zu Köln ist sehr vielseitig. Zu den Forschungsschwerpunkten der derzeit hier tätigen WissenschaftlerInnen gehören Verbsemantik, Morphologie, Typologie, Soziolinguistik, Sprachkontakt, Schriftlinguistik, Sprachgeschichte und Gebärdensprachlinguistik. In der Kölner Forschung werden fast alle slavischen Sprachen untersucht, darunter auch das Slovenische, Weißrussische, Russinische und Kirchenslavische.
Welche Voraussetzungen gibt es?
Das Wichtigste ist die Beherrschung allgemeiner linguistischer Grundlagen, um sie auf die slavischen Sprachen anwenden zu können. Zwar können einzelne Veranstaltungen aus Interesse auch ohne slavische Vorkenntnisse belegt werden (sprechen Sie die DozentInnen einfach an), jedoch sind für eine wissenschaftliche Beschäftigung mit der Slavischen Sprachwissenschaft zumindest Grundkenntnisse einer slavischen Sprache erforderlich, die Sie jedoch auch parallel in Sprachkursen erwerben können. (Am Slavischen Institut werden Sprachkurse in Russisch, Polnisch, Slovakisch, Slovenisch, Serbokroatisch und Bulgarisch angeboten.)
Wenn Sie eine der slavischen Sprachen als Muttersprache (oder Herkunftssprache) sprechen, sich aber noch nie wissenschaftlich mit dieser Sprache beschäftigt haben, wäre es hilfreich, wenn Sie sich vorab mit den Strukturen dieser Sprache, auch im Vergleich zu anderen slavischen Sprachen, vertraut machen würden, wobei u.a. die folgenden Bücher hilfreich sein können:
- Comrie, Bernard & Corbett, Greville G. 1993. The Slavonic languages. London: Routledge.
(ausführliche Darstellungen der einzelnen slavischen Standardsprachen)
- Kempgen, Sebastian et al. (Hg.). 2009/2014. Die slavischen Sprachen: Ein internationales Handbuch zu ihrer Struktur, ihrer Geschichte und ihrer Erforschung / The Slavic langages: An international handbook of their structure, their history and their investigation. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 32.1/32.2). 2 Bde. Berlin, New York: de Gruyter.
(sehr umfangreiches Werk zu den verschiedensten Themen der Slavischen Sprachwissenschaft, jeweils sprachenübergreifend)
- Panzer, Baldur. 1999. Die slavischen Sprachen in Gegenwart und Geschichte: Sprachstrukturen und Verwandtschaft. 3. Aufl. Frankfurt am Main: Peter Lang.
(sprachübergreifende und einzelsprachliche Darstellungen)
- Rehder, Peter (Hg.). 2003. Einführung in die slavischen Sprachen (mit einer Einführung in die Balkanphilologie). 4. Aufl. Darmstadt: WBG.
(Darstellungen der einzelnen slavischen Standardsprachen)
- Sussex, Roland & Cubberley, Paul V. 2006. The Slavic languages. Cambridge: CUP.
(ausführliche sprachenübergreifende Darstellung der einzelnen Sprachebenen)
Worum geht es nicht?
Das Slavische Institut ist keine Sprachschule und kein Dolmetscher-Institut. Zwar sind solide Kenntnisse mindestens einer slavischen Sprache eine Voraussetzung für die sprachwissenschaftliche Beschäftigung mit ihnen, und in unseren Sprachkursen können Sie solche soliden Kenntnisse erwerben. Jedoch sind unsere Sprachkurse philologisch ausgerichtet, d.h. neben flüssigem Sprechen sollen Sie auch ältere Literatur verstehen und die Struktur der erlernten Sprache auf einem theoretischen Niveau durchschauen. Das Ziel Ihres Studiums ist jedoch sprachwissenschaftliche Forschung, nicht die Vervollkommnung Ihrer Sprachkenntnisse.
In welchen Modulen ist das Profil vorwiegend vertreten?
AM 5, AM 6e1–6e3, SM 1k, SM 2a, SM 2c, EM 1, EM 2
Wer ist hier zuständig?
Prof. Dr. Daniel Bunčić
Kontakt: daniel.buncic(at)uni-koeln.de
Homepage: http://slavistik.phil-fak.uni-koeln.de/buncic.html